Nachhaltigkeit ist schon immer ein zentrales Anliegen unseres Unternehmens. Wir engagieren uns lokal fĂŒr den Umweltschutz und haben unseren Neubau nachökologischen Standards errichtet. Dennoch: Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), das zum Jahresbeginn 2024 in Kraft trat, sorgte immer wieder dafĂŒr, dass wir Sorgenfalten auf der Stirn hattenâŠ
Die Neumann & Neumann Software und Beratungs GmbH ist ein familiengefĂŒhrtes IT-Unternehmen. Schwerpunkt sind die Themen Digitalisierung und QualitĂ€tsmanagement fĂŒr Kunden aus den unterschiedlichsten Branchen, aber auch fĂŒr öffentliche Einrichtungen und Kommunen. Bereits 2022 nahmen wir das Thema Lieferkettengesetz in den Blick. Das war frĂŒh, denn uns trieb ein Gedanke um: Wir wollten angesichts der kleinteiligen und bĂŒrokratischen Gesetzesvorschrift nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern vorbereitet sein auf das, was da kommt. Und das war nicht immer einfach.
Zur Einordnung: Zum 1. Januar 2024 war eine Neuregelung des LkSG in Kraft getreten, die seitdem in der gesamten EU gilt. Im gleichen Jahr wurde sogar noch eineVerschĂ€rfung auf den Weg gebracht, die aber nach Protesten aus der Wirtschaft wieder deutlich abgeschwĂ€cht wurde. Kern der aktuellen Regelung ist die Verpflichtung fĂŒr Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern, nicht nur sich selbst, sondern auch ihredirekten Dienstleister auf Herz und Nieren zu prĂŒfen in Sachen Lieferkette. Also auch fĂŒralle Hersteller und Dienstleister, die fĂŒr groĂe Unternehmen arbeiten, gilt die Neuregelung: Vom industriellen Zuliefererbetrieb bis zum GebĂ€udereiniger. Auch wir sind betroffen, denn zu unseren Kunden gehören mittelstĂ€ndische Unternehmen und Konzerne aus dem produzierenden Gewerbe und öffentliche Einrichtungen wie KrankenhĂ€user.
Zertifizierung & Co.: Diese Schritte sind zu durchlaufen
Bei der Vorbereitung ging es fĂŒr uns zunĂ€chst einmal darum, sich einen Ăberblick zu verschaffen, was das Gesetz will. Das LKSG regelt, dass Unternehmen ab 1.000 BeschĂ€ftigten in ihren gesamten Prozessen Menschenrechte und umweltbezogene Sorgfaltspflichten einhalten. WĂ€hrend das Thema âMenschenrechteâ zumindest fĂŒr unser IT-Unternehmen keine groĂe Herausforderung darstellt, sieht es bei Umwelt-Fragen ganz anders aus: Rechner-KapazitĂ€ten, CO2-Emissionen durch den Fuhrpark, Energieverbrauch, der Einsatz von Verbrauchsmaterialien â all das flieĂt in die Ăko-Bilanz ein.
Wie können die Anforderungen des Lieferkettengesetzes effektiv in die bestehenden Strukturen im Betrieb integriert werden, diese Frage stellte sich dann. Der typische Weg, um gegenĂŒber allen Anforderungen gewappnet zu sein, sind LKSG-konforme Zertifizierungen. Diese werden von spezialisierten Dienstleistern angeboten und durchgefĂŒhrt.
Obwohl es noch keinen âLieferkettengesetz-Standardâ gibt, können verschiedene, bereits existierende Normen als Leitfaden dienen. Hierzu ein Ăberblick ĂŒber die wichtigsten Zertifizierungen, die hohe Ăberschneidungen mit LkSG-Anforderungen aufweisen:
- Sedex/SMETA (Supplier Ethical Data Exchange/Sedex Members Ethical Trade Audit) ist eine umfassende Zertifizierung, die sich auf soziale Verantwortung, Arbeitssicherheit und Umweltschutz im Lieferketten-Kontext konzentriert.
- Das Business Social Compliance Initiative (BSCI) von amfori legt Wert auf soziale Standards und ethisches Verhalten in der Lieferkette.
- Die SA8000-Zertifizierung konzentriert sich auf die Einhaltung sozialer Standards und Menschenrechte am Arbeitsplatz.
- Der GrĂŒne Knopf ist ein staatliches Siegel, das den Fokus auf soziale und ökologische Standards in der gesamten Lieferkette legt.
- Die Worldwide Responsible Accredited Production (WRAP)-Zertifizierung stellt sicher, dass ethische Arbeitsstandards in der Produktion eingehalten werden. Dies ist besonders relevant, wenn es um die Auswahl von Zulieferern geht.
- Die ISO 14001-Zertifizierung bezieht sich auf Umweltmanagement und zeigt das Engagement fĂŒr eine nachhaltige GeschĂ€ftsfĂŒhrung.
- Die ISO 50001-Zertifizierung konzentriert sich auf Energiemanagement und trÀgt dazu bei, energieeffiziente Prozesse zu fördern.
- Die ISO 14064-Zertifizierung bezieht sich auf die Verifizierung von Treibhausgasemissionen und unterstĂŒtzt Unternehmen dabei, ihre Umweltauswirkungen zu quantifizieren.
Wer bereits in den sensiblen Bereichen zertifiziert ist, hat gute Karten. Eine genaue PrĂŒfung bereits vorhandener Zertifizierungen sorgt dafĂŒr, LĂŒcken zu erkennen und zuschlieĂen.
IT hilft, die AblÀufe bei einer Zertifizierung schlank zuhalten
In der betrieblichen Praxis verlangen die Zertifizierungsprozesse fast immer die Implementierung eines passenden Risikomanagement-Systems, das DurchfĂŒhren von Risikoanalysen und die Umsetzung prĂ€ventiver MaĂnahmen. Das stand auch in unserem Unternehmen als wichtiger Schritt am Anfang der LkSG-Strategie. Ein wertvoller Helfer ist dabei fast immer die IT: Hard- und Software leisten einen wichtigen Beitrag, sĂ€mtliche AblĂ€ufe so schlank wie möglich zu halten. QualitĂ€tssicherungs-Software kann fĂŒr das Erheben wichtiger Kennzahlen bei QualitĂ€tsprĂŒfungen und -prozessen sowie deren Auswertung und Dokumentation eingesetzt werden. Liegen diese Daten bereits vor, kann eine LKSG-relevante Steuerung von Prozessen viel leichter vorgenommen werden.
Der Fokus bei uns lag zunĂ€chst auf der Erfassung und Bilanzierung von CO2-Emissionen.Durch eine detaillierte Methodik zur Datenerfassung, -analyse und -berichterstattung wurden interne und externe CO2-Quellen erfasst. Diese umfassende Ăkobilanzermöglicht eine differenzierte Analyse der Emissionen. Darauf aufbauend wurde ein ausfĂŒhrlicher CSR-Bericht einschlieĂlich der Ăko-Bilanz fertiggestellt.
Daraus wurden dann eine ganze Reihe von MaĂnahmen abgeleitet. Einige Beispiele:
- Eine FortfĂŒhrung des bereits begonnenen Umbaus im Firmen-Fuhrpark, hin zu mehr Nachhaltigkeit, beispielsweise durch Elektroautos.
- Eine Ausrichtung aller betrieblichen Reisen am Prinzip der Nachhaltigkeit.
- Heizungen im FirmengebĂ€ude werden frĂŒher abgestellt.
- Das Wasser wird ĂŒber Solarenergie erhitzt.
Neben MaĂnahmen zur Vermeidung von Umweltbelastungen ging es dann noch um die Frage, wie bestehende CO2-Emissionen kompensiert werden können. Anstatt sich an Aufforstungsprojekten in fernen LĂ€ndern zu beteiligen, setzt Neumann & Neumann auch hier auf RegionalitĂ€t. Die Kompensation erfolgt durch Investitionen in kommunale Projekte direkt vor Ort in der NĂ€he des Firmensitzes. Dies wird in Abstimmung mit kommunalen Entscheidern umgesetzt.
Die Bilanz nach einem Jahr: ErnĂŒchternd
Nach einem Jahr können wir eine erste Bilanz ziehen und stellen uns natĂŒrlich die Frage: Wird so viel Ehrgeiz belohnt? Bisher können wir sie nicht mit âJaâ beantworten. Warum? Unsere Erfahrungen nach den ersten zwölf Monaten der neuen LkSG-Regeln sind teilweise ernĂŒchternd: Denn nicht alle Stellen, bei denen wir es eigentlich erwartet haben, sind mit dem Gesetz vertraut. Von behördlichen Stellen oder gar unserer Bank gab es ĂŒberhaupt keine Nachfragen dazu. Obwohl das Finanzamt bei der Bilanzierung oder die Banken bei der Kreditvergabe zur PrĂŒfung der LkSG-Kriterien verpflichtet sind.
Immerhin: Das Interesse unserer Kunden im Hinblick auf das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz ist da. Von Kundenseite bekommen wir aktive Nachfragen und es lĂ€sst sich feststellen: Je gröĂer das Unternehmen, umso mehr wird auf die Nachhaltigkeitsstandards bei uns als Dienstleister geachtet.
Nach den Erfahrungen des ersten Jahres sehen wir es so: Die Umsetzung des Lieferkettengesetzes ist nicht nur eine Herausforderung, sondern auch eine Chance fĂŒr Unternehmen, ihre NachhaltigkeitsbemĂŒhungen zu stĂ€rken. Allerdings ist es entscheidend, dass die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften auch ĂŒberprĂŒft wird, um die angestrebten Effekte fĂŒr Klimaschutz und Menschenrechte zu gewĂ€hrleisten. Dies erfordert nicht nur Engagement seitens der Unternehmen, sondern auch eine aktive Rolle der relevanten Aufsichtsbehörden und Institutionen, um die Wirksamkeit des Gesetzes sicherzustellen.


